Marionettenkunst

Die Dame ohne Daumen

Frau Groß: Ach herrjeh, Herr Doktor Hilf, sehen Sie nur. Unsere freundliche Frau Nora Nachtigall hat stets ein Lächeln für uns parat. Nur hat sie gerade ein wenig Schwierigkeiten, sich um die verletzten Vögelchen zu kümmern. Der Tragekorb, mit dem sie die kleinen Tierchen in ihr wundersames Häuschen bringt, ist doch recht schwer. Und, Herr Doktor, hier liegt das Problem. Leider hat Frau Nachtigall auf ihrer Reise einen Daumen verloren. Wir haben ihn natürlich überall gesucht, aber weder Fuchs noch Igel, weder Wolf noch Gans haben ihn gesehen.   Überhaupt hat ihn niemand gesehen. Ach, meine Nerven. Ich darf mich doch nicht aufregen … Ich …“

Doktor Heribert Hilf: „Ganz ruhig, Frau Groß. Sie haben es genau richtig gemacht, Frau Nachtigall zu mir zu bringen. (Klicke auf „Weiterlesen“ beim Runterscrollen)

Hm, dann zeigen Sie doch mal. Ohje, das sieht ja wirklich schlimm aus. Doch keine Angst, liebste Frau Nachtigall, das werden wir schon richten.  Sie werden sehen, am Ende ist ihr Daumen wieder fast wie neu!“

Zunächst einmal werde ich Ihnen einen Daumen kneten. Jaja, keine Angst. Er wird nicht so kurz sein wie ein menschlicher Daumen. Natürlich achte ich darauf, dass dieser Finger ein weltliches Einzelstück ist und ganz allein zu Ihnen passt. Nicht, dass er Ihnen wieder davon läuft… Also, dann kneten wir doch mal los …

So, na, was meinen Sie? Schön, gell? Wie bitte, Frau Groß? Zu blass? Aber natürlich, die Damen. Wir sind ja noch nicht fertig. Sehen Sie, es wird nicht einfach, den Finger an Frau Nachtigalls Hand zu kleben. Er fällt einfach wieder ab, wenn man versucht, ihn anzudrücken. Deshalb greifen wir in die Zahnstochertrickkiste. Hier habe ich das kleine Holzstäbchen bereits in den Finger geschoben. Und nun werde ich sehr vorsichtig einen winzigen Schacht in die Handbruchstelle bohren und Hand und Daumen zusammenschieben. Wie? Ach, nein, Frau Groß. Das tut nicht weh. Es kitzelt vielleicht ein wenig. Am besten, sie sehen mal beide kurz weg. Aber euch, liebe Kinder, zeige ich rasch, was ich nun weiter mache…

Hier schiebe ich den zurechtgeschnittenen Zahnstocher in das kleine Löchlein, bis der Daumen fast wieder an die Hand anschließt! Mithilfe von Heißkleber verbinde ich alles wieder fest.

So, Schwester Magda, würden Sie mir bitte die Fingernagelfeile bringen? Ah, da ist sie ja. Damit feile ich nun den Daumen noch ein wenig zurecht. Na gut, ein paar Fältchen noch, dann sieht er nicht aus wie ein Fingerhut, sondern wie ein echter Daumen. Die Lücke, welche durch den Kleber entsteht, spachtle ich hinterher wieder mit ein bisschen lufttrocknende Knete glatt. Ach ja, und jetzt Wasserfarben mischen. Schließlich soll der neue Finger ja nicht gleich erkennbar sein. hmmm….

So, noch ein paar Pinselstriche. Einmal Pusten gegen die Schmerzen und schon ist wieder alles in Ordnung! Na, was sagen Sie, meine Damen? Ach, Frau Nachtigall. Wie schön, dass Sie wieder glücklich sind. Nun können Sie den Korb für die Vögelchen wieder tragen und Frau Groß die Daumen drücken, dass Sie sich nicht mehr so schnell aufregt. Und wegen Ihres echten Daumens machen Sie sich mal keine Sorgen. Vielleicht ist er einfach auf Wanderschaft gegangen und schreibt Ihnen irgendwann eine freundliche Flaschenpost.

Auf Wiedersehen, Frau Groß und Frau Nachtigall. Und wenn Ihnen mal wieder etwas abfällt, ihnen ein Gedankenknoten entfädelt werden muss, scheuen Sie sich nicht. Kommen Sie gerne wieder und ich werde sehen, was sich machen lässt.

Frau Groß und Frau Nachtigall: Vielen Dank, Herr Hilf. Auf Sie ist halt Verlass!

(c) mk

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